15. Dezember 2023

Gemeinsame Pressemitteilung von ADFC Hessen, ADFC Bad Nauheim/Friedberg, ADFC Bad Vilbel und ADFC Frankfurt am Main

Ein Schritt nach vorn, aber noch "viel Luft nach oben" beim FRM6

Der Radfahrverband fordert die zügige Realisierung der Wetterau-Raddirektverbindung und deutliche Verbesserungen beim Trassenverlauf

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) begrüßt das große Engagement, mit dem sich der Regionalverband FrankfurtRheinMain für den Bau der Raddirektverbindung FRM6 von Butzbach durch die Wetterau bis nach Frankfurt am Main einsetzt. Die gestern durch den Regionalverband vorgestellte Machbarkeitsstudie hat ergeben, dass die Realisierung der Verbindung einen hohen Nutzen für die Region bedeutet. Allerdings sieht der ADFC für die aktuell favorisierte Trasse "viel Luft nach oben" und mahnt dringend Nachbesserungen an. Damit die Verbindung von vielen Menschen genutzt und die erhoffte Verlagerung vom Auto zum Rad real wird, müssen Trassenverlauf und Zustand der Verbindung hochattraktiv für Radfahrende sein, so der ADFC.

"Wir begrüßen, dass nach mehr als drei Jahren mit der Machbarkeitsstudie ein weiterer Meilenstein für den Wetterau-Radschnellweg erreicht ist. Die beteiligten Kommunen sollten nun zügig die nötigen Beschlüsse fassen, um in die konkrete Planung einzusteigen. Ziel sollte weiterhin sein, dass 2030 die ersten Räder auf dem FRM6 rollen", erklärt ADFC-Landesvorsitzender Ansgar Hegerfeld.

Wichtigste Eigenschaften eines Radschnellweges mit vier Metern oder einer Raddirektverbindung mit drei Metern Breite sind glatter Asphalt, ein steigungsarmes Profil, wenig Kurven und Umwege sowie möglichst wenig Querungen, an denen anderem Verkehr Vorfahrt gewährt werden muss. Dadurch ist eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 km/h möglich, so dass das Rad auch auf längeren Strecken gegenüber dem Auto attraktiv für Berufspendelnde wird. Diese Kriterien sind in den vom Land Hessen herausgegebenen "Qualitätsstandards und Musterlösungen" für das hessische Rad-Netz festgelegt.

Der ADFC hält das in den Qualitätsstandards des Landes Hessen vorgegebene Niveau bei der gegenwärtigen Planung des FRM6 für noch nicht erreicht und sieht daher großen Optimierungsbedarf. Obwohl das Land die Qualitätsstandards für die Radschnell- und Raddirektverbindungen definiert hat, liegt die Baulast in Hessen bei den Kommunen. Das Land gibt, je nach Finanzkraft der Kommune, 70 bis 90 Prozent der Planungs- und Herstellungskosten als Förderung. Förderbedingung ist die Einhaltung der Qualitätsstandards.

Von den zahlreichen problematischen Abschnitten hebt der Radfahrverband beispielhaft vier gravierende Schwachstellen hervor, für die in den anstehenden Planungen eine bessere Lösung gefunden werden muss:

1. "Berg-und-Tal"-Bahn bei Wöllstadt

Obwohl die vorgesehene Trasse Im nördlichen Teil des FRM 6 von Friedberg nach Nieder-Wöllstadt nahezu parallel zur Bundesstraße B3 verlaufen soll, müssen Radfahrende zwischen den beiden Orten 79 Höhenmeter erklimmen (in Gegenrichtung 100 Höhenmeter), während Kraftfahrzeuge auf der B3 lediglich 12 Höhenmeter (in Gegenrichtung 44) zu bewältigen haben. Grund dafür ist, dass die Trasse der Raddirektverbindung auf bestehenden Wirtschaftswegen ohne Höhenausgleich verlaufen soll. Der ADFC hält die angestrebte Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 km/h mit diesem Höhenprofil für nicht erreichbar und plädiert für den Ausgleich der Niveauunterschiede durch bauliche Maßnahmen, wie sie auch für die B3 realisiert wurden.

2. Gefährliche und zeitraubende Querungen

Ebenfalls im Bereich von Wöllstadt muss die frühere B3 zweimal gequert werden, wobei dem hier mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h fahrenden Kfz-Verkehr die Vorfahrt zu gewähren ist. Aufgrund der teils ungünstigen Sichtbeziehungen ist dies nicht nur zeitraubend, sondern auch gefährlich. Zudem müssen Radfahrende im Bereich der Querungen zweimal 90-Grad-Kurven meistern und dazu das Tempo erheblich reduzieren. Die Qualitätsstandards des Landes sehen hingegen vor: "An Knotenpunkten sollen Radschnellverbindungen und Raddirektverbindungen vorwiegend bevorrechtigt sein und eine Fahrt mit möglichst geringen Verlustzeiten ermöglichen."

3. Führung im Mischverkehr mit schweren Lkw

Im südlichen Teil des FRM6 führt die Trasse im Bad Vilbeler Ortsteil Dortelweil durch die Eibenstraße - eine Industriestraße mit Schwerlastverkehr, welche als Fahrradstraße ausgewiesen werden soll. Aufgrund der geringen Breite ist auf dieser Straße kein separater Radweg vorgesehen, so dass im Mischverkehr mit großen Lkw geradelt werden muss. Hier sieht der ADFC dringenden Verbesserungsbedarf.

4. Zu kurvige Rampe zur Bahn-Unterführung

Einige Kilometer weiter südlich, am S-Bahnhof Bad Vilbel Süd sieht der Trassenverlauf in der Machbarkeitsstudie die Querung der Bahnstrecke vor. Um die hierfür nötige Unterführung zu erreichen, müssen Radfahrende eine lange, steile Rampe nutzen, die lediglich 2,5 Meter breit und mit einer 180-Grad-Kehre versehen ist. Für die immer beliebter werdenden Lastenräder und Gespanne - etwa Räder mit Kinderanhängern - ist diese Stelle praktisch nicht befahrbar. Zudem sind hier Personen mit Rollstühlen, Kinderwagen und Rollatoren unterwegs - ein Nutzungskonflikt, den es nach den Qualitätsstandards des Landes Hessen ausdrücklich zu vermeiden gilt. Der ADFC kritisiert, dass die Deutsche Bahn AG eine unweit dieser Stelle bereits bestehende Bahnunterführung im Zuge des viergleisigen Ausbaus dauerhaft entfernt hat.

Die geschilderten vier Stellen sind lediglich ein Ausschnitt einer längeren Liste von Problemstellen, die der ADFC identifiziert hat. Insgesamt sind Radfahrende auf der geplanten Trasse des FRM6 zwischen Butzbach und Frankfurt rund 47 Kilometer unterwegs - mit dem Auto über die B3 sind es nur 40 Kilometer. Seit 2018 hat der Radfahrverband zahlreiche konstruktive Vorschläge zur Vermeidung der beschriebenen Probleme vorgetragen, unter anderem die bahnbegleitende Führung entlang der S6. Wir werden uns als ADFC im Laufe der weiteren Planung weiter engagiert einbringen, um eine schnelle und hochwertige Umsetzung des Projektes zu erreichen.

Zitate

"Befragungen wie der Fahrrad-Monitor 2021 der Landesregierung zeigen, dass sich 36 Prozent Berufspendelnden vorstellen können, vom Auto auf das Rad umzusteigen, wenn es schnelle Verbindungen gäbe. Dazu muss ein Radschnellweg jedoch eine hohe Qualität aufweisen, sonst rollt die Autolawine aus der Wetterau weiter nach Frankfurt."
Theo Sorg, ADFC Bad Vilbel

"Wir vermissen den Blick auf das große Ganze - die Kommunen schauen natürlich zuallererst auf die Besonderheiten ihrer Gemeinde, aus dem Blick gerät dabei die Idee einer schnellen, geradlinigen, querungs- und steigungsarmen Radverbindung, auf der man gerne und komfortabel zehn Kilometer oder mehr zügig am Stück zurücklegen kann."
Ulrike Fuchs, 1. Vorsitzende des ADFC Bad Nauheim/Friedberg

"Würde der Regionalverband sich nicht mit so viel Engagement für den Bau der Radschnellwege einsetzen, gäbe es bis heute wohl noch nicht einmal einen Trassenvorschlag. Das Problem ist die Abhängigkeit so eines Projekts von acht verschiedenen Baulasttragenden. Jede Kommune geht hier nach ihren ganz eigenen Prioritäten vor. Das Ergebnis ist eine umwegreiche, wellige Route, die häufig die Führungsform wechselt und nur ein niedriges Durchschnittstempo ermöglicht. Leider lehnt das Land Hessen bislang eine gesetzliche Regelung ab, durch die es selbst Baulastträger wäre und die Planung in einer Hand bliebe."
Xavier Marc, Mitglied im ADFC-Landesvorstand


Zur FRM6-Machbarkeitsstudie (PDF, ca. 36 MB)

Zur Pressemitteilung des Regionalverbands FrankfurtRheinMain vom 14.12.2023


Pressekontakt ADFC Hessen e.V.:
Sofrony Riedmann
Löwengasse 27A
60385 Frankfurt am Main
Mobil: 0151-21321678

E-Mail:
www.adfc-hessen.de

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